Die Welt der Verhütung hat sich in den letzten Jahren nur langsam weiterentwickelt. Insbesondere auf sinnvolle Verhütungsmittel für Männer warten wir schon lange und bisher können wir hier nur auf das Kondom oder die Vasektomie zurückgreifen. Es scheint fast so, als ob das Herausfinden der richtigen Kondomgröße schon das beste ist, was Männer überhaupt zur Verhütung beitragen können – einfach schon dadurch begründet, dass die Optionen für Alternativen fehlen!
Alle paar Jahre gibt es mal wieder eine Information darüber, dass die Pille für den Mann doch nicht auf den Markt kommt. Oder jemand versucht sich an einem neuen Ansatz – der dann auch wieder nicht bis zur Markteinführung verfolgt wird. Mein letzter Beitrag dazu war über Vasalgel. Dabei handelt es sich um ein Gel, das in den Samenleiter eingebracht wird und so den Durchgang für die Spermien – und damit eine Schwangerschaft – verhindert. Das Ganze soll 10 Jahre halten und könnte ein echter Durchbruch im Thema Verhütung sein. Könnte, denn wie bei vielen Projekten dieser Art, ist auch hier die Finanzierung der Studien schwierig. Große Pharmakonzerne haben nur wenig Interesse daran, ein Produkt zu entwickeln, das nur alle 10 Jahre einmal Anwendung findet. Man muss nur 1 und 1 zusammenzählen, um eine Idee davon zu bekommen, wieviel Geld durch die Verschreibung von Antibabypillen, Hormonspiralen und ähnlichen Produkten hierbei durch die Lappen gehen würde…
Mit COSO gibt es nun erneut einen Versuch, Männer stärker in die Verhütungsthematik einzubeziehen. Der Ansatz von COSO klingt vielversprechend, denn COSO soll ohne physische Intervention, Schmerzen oder Nebenwirkungen funktionieren.
Von der Idee zum Produkt
Die Idee für COSO entstand aus einer persönlichen Geschichte. Bei der Gründerin, Rebecca Weiss, wurde ein Vorläufer von Gebärmutterhalskrebs fesgestellt, der auf die langjährige Verwendung der Pille zur Verhütung zurückgeführt wurde. Und natürlich wollte sie seitdem – verständlicherweise – auf Hormone zur Verhütung verzichten. Zusammen mit ihrem Partner hat sie alle auffindbaren Informationen über Alternativmethoden durchsucht und musste leider feststellen, dass dem Mann außer mit dem Kondom oder einer Vasektomie keine effektiven Verhütungsmethoden zur Verfügung stehen. Tja, und jetzt kam ihre Profession ins Spiel! Als Industriedesignerin hat sie kurzerhand entschlossen, im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Technischen Universität München einen neuen Verhütungsansatz für Männer zu entwickeln.
Bei der Entwicklung von COSO ging es nicht nur darum, eine neue und effektive Verhütungsmethode für Männer zu entwickeln, sondern insbesondere auch um eine hohe Benutzerakzeptanz. Wo aufwendige Ansätze oder Mittelchen mit Nebenwirkungen für Männer hinführen, haben wir bereits gesehen: Ihre Spuren verlaufen im Sand! [Dass Selbiges niemanden davon abgehalten hat, entsprechende Verhütungsmittel von Frauen zu vermarkten, ist ein Thema für einen anderen Tag.]
Um nicht an den Bedürfnissen der zukünftigen Nutzer vorbeizuentwickeln, wurden diese im Vorfeld mithilfe einer Umfrage von 422 Teilnehmern identifiziert. Darüber hinaus hat sich das Designteam in Workshops mit freiwilligen Probanden zwischen 20 und 30 Jahren zusammengesetzt, um die optischen wie funktionalen Anforderung an ein solches Gerät noch besser spezifizieren zu können. Das Ergebnis war nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch ansprechend – damit die Verhütung Spaß macht und gerne zu COSO gegriffen wird!
Und so funktioniert COSO
Die Anwendung von COSO ist unkompliziert. Der Benutzer füllt das Gerät mit Wasser bis zur empfohlenen Markierung. Nach dem Aufheizen des Wassers auf Betriebstemperatur ist COSO bereit für die Ultraschallbehandlung. Diese garantiert, dass in den tieferliegenden Schichten des Hodengewebes die Neubildung und Bewegungsfähigkeit der Spermien temporär außer Kraft gesetzt wird. Um diesen Effekt zu erreichen, platziert der Benutzer seine Hoden in der gefüllten Mini-Badewanne und schaltet den Ultraschall ein. Nach wenigen Minuten (ich glaube, die genaue Dauer muss noch mithilfe von Studien ermittelt werden) ist die Behandlung fertig und das Gerät schaltet sich ab – all das kann per App verfolgt werden. Wer sich jetzt noch nichts unter diesem Hodenbad mit Verhütungswirkung vorstellen kann oder wer noch mehr über den ganzen Entwicklungsprozess erfahren will, dem empfehle ich, mal auf der Seite der Erfinderin vorbeizuschauen. Ich finde COSO ziemlich stylish!
Ist das sicher?
Eine sehr gute Frage. Die Idee für COSO basiert auf früheren Studien, in denen der Effekt von Ultraschall auf die Spermienproduktion und -bewegungsfähigkeit beispielsweise bei Ratten oder Affen getestet wurde, z.B. Vandervoort & Tollner 2012 [1] und Tsuruta et al. 2012 [2]. Die Ergebnisse hierbei waren durchaus vielversprechend und schon bei zwei- bis dreimaliger Anwendung konnte ein Verhütungseffekt für mindestens zwei Monate festgestellt werden. Über die Wirkungsweise beim Menschen fehlen bisher jedoch verlässliche Daten und es muss noch erforscht werden, was die perfekte Kombination aus Anwendungsdauer und -häufigkeit ist. In den genannten Studien wuden verschiedene Behandlungsmuster wie 3 mal 5 Minuten, aber auch 3 mal 30 Minuten untersucht – eine große Spannweite auch für die Benutzerfreundlichkeit! Dass die spezifische Anwendung hierbei von großer Bedeutung ist, wird klar, wenn man beispielsweise in die Studie von Gai et al. 2022 [3] schaut, die feststellten, dass einige Sekunden von Hochfrequenz-Ultraschall die Beweglichkeit der Spermien sogar erhöhen. Klingt in dem ganzen Zusammenhang erstmal kurios, oder? Wie sagt man so schön… Die Dosis macht das Gift!
Bleibt COSO Zukunftsmusik?
Tja, das ist eine gute Frage. Auf jeden Fall ist das Interesse an COSO groß und die kleine Mini-Badewanne hat bereits zwei wichtige Preise abräumen können. Im Jahr 2021 gab’s für COSO sowohl den James Dyson Award als auch den Franz-Berberich Preis – die gesellschaftliche Relevanz und der innvoative Ansatz scheinen folglich nicht unentdeckt geblieben zu sein.
Um eine solche Entwicklung schlussendlich auch auf den Markt zu bringen, sind allerdings viele Schritte nötig. Und definitiv auch viel Geld – und dass es genau hier Schwierigkeiten gibt, wurde ja schon an vorherigen Projekten deutlich. Soweit ich weiß, werden momentan Partner in Forschung und Industrie sowie finanzielle Mittel für die Entwicklung funktionsfähiger Prototypen gesammelt, mit denen die Anwendbarkeit und Effektivität von COSO auch in klinischen Studien überprüft werden kann. Auf der offiziellen Seite COSO Contraception findet man leider nicht viel mehr Informationen. Wenn ihr aber denkt, dass ihr auf irgendeine Art zur weiteren Forschung an diesem Projekt beitragen könnt – sei es fachlich oder finanziell – ist dort die richtige Anlaufstelle für euch. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
0 Kommentare