„Er will immer.“
„Ich muss mich eher zwingen.“
„Wenn ich Nein sage, ist er sofort genervt.“
„Wenn er Nein sagt, ist bei uns irgendwas kaputt.“
Kommt dir bekannt vor? Der Satz „Männer wollen mehr Sex“ gehört zu den langlebigsten Beziehungsklischees überhaupt. Und wenn man sich umhört – oder ehrlich ist – scheint er ja auch oft zu stimmen. Zumindest in der Anfangsphase. Zumindest, wenn alles läuft. Zumindest, wenn keiner fragt, worum’s eigentlich geht.
Aber was ist da wirklich dran? Wollen Männer wirklich grundsätzlich mehr Sex als Frauen? Oder glauben wir das nur, weil uns niemand beigebracht hat, Sexualität anders zu denken?
Spoiler: Es ist komplizierter. Und viel spannender.
Mehr Lust = mehr Männlichkeit?
Lange Zeit war klar, wie das läuft: Der Mann will. Die Frau entscheidet. Und beide spielen ihre Rollen. Er als hungriger Jäger. Sie als empfindsame Wächterin. Das klingt steinzeitlich – aber ehrlich gesagt: So fühlt sich bis heute vieles an.
Denn obwohl wir in Sachen Gleichberechtigung (zum Glück!) weiter sind als früher, hängt unsere Vorstellung von Lust oft noch irgendwo in den 1950ern. Sexuelle Initiative? Wird Männern eher zugeschrieben.
Lust auf Nähe, Berührung, Verbindung? Klingt für viele eher nach „Frauensache“.
Dabei ist genau diese Nähe oft ein unterschätzter Teil von Lust – und für viele Paare ein Schlüssel, um wieder zueinanderzufinden.
Und genau da liegt das Problem. Denn was passiert, wenn er mal nicht will? Wenn sie plötzlich mehr Lust hat? Wenn beide unterschiedlich ticken – und keiner weiß, ob das noch „normal“ ist?
Was sagt die Forschung?
Tatsächlich zeigen Studien: Ja, Männer berichten im Durchschnitt häufiger sexuelles Verlangen.
Aber: Der Unterschied ist viel kleiner, als wir oft denken – und vor allem stark von äußeren Faktoren abhängig. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2020 von Dawson & Chivers hat 61 Studien mit über 50.000 Teilnehmenden ausgewertet. Das Ergebnis: Männer geben häufiger an, Lust zu empfinden – aber Frauen erleben genauso intensive sexuelle Erregung, wenn emotionale und situative Bedingungen stimmen.
Der Unterschied liegt also weniger in der Lust an sich, sondern eher in der Art, wie sie sich zeigt. Männer haben häufiger spontane Lust – sie taucht „einfach so“ auf. Frauen erleben häufiger reaktive Lust – sie entsteht durch Nähe, durch Berührung, durch emotionale Verbindung. Und das verändert, wie wir sie wahrnehmen – aber nicht, wie viel da ist.
Spannend auch: In heterosexuellen Beziehungen wird weibliches sexuelles Verlangen noch immer häufiger übergangen oder als „Stimmungssache“ abgetan. (Ein ehrlicher Blick darauf: Meine Frau will keinen Sex – was jetzt?)
Wenn Lust in Langzeitbeziehungen leiser wird
In vielen Beziehungen verändert sich mit der Zeit nicht nur der Alltag, sondern auch die Sexualität. Was anfangs selbstverständlich war – Leidenschaft, körperliche Nähe, diese „Wir können nicht die Finger voneinander lassen“-Phase – wird irgendwann zu einer Frage des: „Wann eigentlich zuletzt?“
Das ist nicht schlimm. Aber es ist auch nicht egal. Denn wenn wir darauf warten, dass Lust „einfach passiert“, verpassen wir oft die Chance, sie bewusst zu pflegen. Gerade in längeren Beziehungen ist Sex nicht immer spontan – manchmal ist er eine Entscheidung. Und das kann etwas sehr Schönes sein.
Sich bewusst für Sex zu entscheiden bedeutet nicht, sich zu etwas zu zwingen. Es bedeutet, sich Nähe zu erlauben. Verbindung. Ein Innehalten im Alltag. Studien zeigen immer wieder, dass sexuelle Zufriedenheit eng mit Beziehungszufriedenheit verknüpft ist – und sogar mit allgemeiner Lebenszufriedenheit.
Daran zu arbeiten, lohnt sich. Nicht, weil man „wieder funktionieren“ muss. Sondern weil Berührung, Intimität und Lust das Potenzial haben, uns auf eine Art zu verbinden, die kein Gespräch ersetzen kann.
Manchmal helfen schon kleine Veränderungen oder neue Impulse – sei es über die Kommunikation oder neue Erfahrungen im Bett. Lust auf Inspiration? Dann schau vielleicht mal in meinen Artikel zu Strap-On-Sex,Analsex oder BDSM Mythen hinein.
Was, wenn das alles nicht stimmt?
Dann würde es vielleicht einfacher werden, über Sex zu sprechen. Niemand müsste sich schlecht fühlen, weil die eigene Lust „zu viel“ oder „zu wenig“ ist. Man könnte Wünsche äußern, ohne Angst, bewertet zu werden.
Denn das Problem ist nicht, dass Männer (manchmal) mehr Sex wollen. Das Problem ist, dass wir glauben, sie müssten das immer tun. Und dass Frauen automatisch weniger wollen. Oder komplizierter sind. Oder nicht wissen, was sie brauchen.
In Wirklichkeit ist Lust kein Wettbewerb. Keine Pflicht. Kein Test. Kein Beweis für Liebe.
Lust ist lebendig. Und sie darf sich verändern. Sie darf laut sein. Oder leise. Und sie darf – ganz egal, ob du Mann oder Frau bist – genau so sein, wie du sie gerade spürst.
Fazit
„Männer wollen mehr Sex“ ist ein Satz, den wir ruhig mal hinterfragen dürfen. Nicht, weil er grundsätzlich falsch ist – sondern weil er Gespräche verhindert, Druck erzeugt und Erwartungen schürt, die oft nichts mit echter Lust zu tun haben.
Vielleicht will er mehr. Vielleicht will sie mehr. Vielleicht keiner. Vielleicht beide – aber unterschiedlich.
Die Frage ist nicht: Wer will mehr?
Sondern: Wie finden wir gemeinsam wieder zueinander – körperlich, emotional, intim?
Denn der beste Sex beginnt oft nicht im Bett, sondern da, wo zwei Menschen sich wirklich sehen.
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